Ein Lebenzeichen von sich geben, etwas von sich hören oder lesen lassen,
ist einfacher gesagt als getan. Kein Buchstabe reiht sich automatisch an den anderen.
Wörter wollen erdacht, sorgsam ausgewählt und in die richtige Folge gebracht werden.
Was aber ist, wenn einem die Wörter selbst einen Strich durch die Rechnung machen?
Was ist, wenn man bereits über das Ausgangswort stolpert — Lebenszeichen?
Was ist denn überhaupt ein Lebenszeichen?
• Sind es die Zeichen, die einem das Leben aufbrennt?
• Wie sehen diese Zeichen aus?
• Sind sie für jeden sichtbar?
• Sind die Zeichen gemeint, die wir hinterlassen, wie unsere Spuren im Sand?
• Spuren, die andere wahrnehmen können, so sie uns denn kennen?
• Möchten wir überhaupt, dass sie jemand wahrnimmt?
• Und wenn ja, welche davon? Jeder hat doch Geheimnisse!
–> Über welche Zeichen soll erzählt werden? Es gibt doch so viele.
–> Möchte ich einfach nur mitteilen, dass es mich noch gibt?
–> Muss ich das überhaupt?
–> Was wäre, wenn ich tot bin? Ist das dann auch ein Zeichen?
–> Wie ein, bis hierher und nicht weiter!
Demnach bedeutet »Lebenszeichen« sehr viel mehr,
als das man es leichtfertig von sich geben sollte.
Nehmen wir doch einfach diese Zeilen. Sie bestehen aus Wörtern,
die aus mir hervorgegangen sind. Ich schrieb sie heute,
also zu einem bestimmten Zeitpunkt meines Lebens.
Warum? Weil ich über das Wort »Lebenszeichen« gestolpert bin.
Diese Zeilen stehen als ein Zeichen dafür, dass ich über bestimmte Dinge nachgedacht habe.
Alleinstehend sind sie gar nichts. Erst im Gesamtkonstrukt und in Bezug zu meiner Person
werden sie zu einem Lebenszeichen. Sie zeigen, zeichnen auf und verweisen auf mein Sein.
Somit wird der Moment des Erdenkens zum Lebenszeichen.
Aber dieses Lebenszeichen ist rein gar nichts,
so es denn nicht wahrgenommen* wird.
Meine Güte, dass Lebenszeichen aber auch so kompliziert sein müssen.
Dabei muss man sie doch angeblich einfach nur senden.
AW 23-01-2020
*In diesem Zusammenhang steht auch das Gedicht »Der Meilenstein« von Christian Morgenstern.